7. Kultur und Wissenschaft

Kulturstadt Potsdam

So wie die historischen Bauwerke und Gärten von der hohen Kultur vergangener Jahrhunderte zeugen und Potsdamer Einwohnerinnen und Einwohner ebenso wie Millionen Touristen faszinieren, hat sich auch heute in Potsdam eine lebendige, teilweise ebenso auf internationalem Niveau agierende Kulturszene etabliert.

Kultureinrichtungen in den verschiedensten Organisationsformen – als städtische Einrichtung wie das Potsdam-Museum, die Musikschule und das Alte Rathaus, als GmbH wie das Hans-Otto-Theater (HOT), der Nicolaisaal oder die Musikfestspiele, oder als freie meist in Vereinen organisierte Kulturträger – bieten ein reichhaltiges, vielfältiges und niveauvolles Kulturangebot.

Während sich die PotsdamerInnen einer fast unüberschaubaren Fülle von kulturellen Ereignissen gegenüber sehen, kommen zahlreiche Gäste gezielt auch aus Berlin und von weit her, um die künstlerischen Höhepunkte in Potsdam zu erleben.

Trotz jahrelanger Etatkürzungen in der Kultur konnte die kulturelle Vielfalt und ein hohes Niveau gehalten werden. Dazu hat das hohe Engagement der Kulturträger und zahlreicher BürgerInnen beigetragen. Die Erarbeitung kulturpolitischer Leitlinien führt zu einem Ausgleich in Bereichen, die bisher vernachlässigt wurden wie denen des Kulturellen Gedächtnisses, der Bildenden Kunst und der Medien.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden sich auch weiterhin für eine Verstetigung dieses Trends einsetzen und lehnen Kürzungen im Kulturetat ab. Kultur sollte als Pflichtaufgabe der Stadt begriffen werden und darf deshalb nicht als Steinbruch im Haushaltssicherungskonzept dienen. Zur Finanzierung des Kulturangebotes sollten weitere Quellen durch Kultursponsoring und die Einrichtung einer Kulturstiftung erschlossen werden.

Wir unterstützen die von der Stadtverordnetenversammlung gesetzten Schwerpunkte der Kulturförderung für die nächsten fünf Jahre. Sie sind Ergebnis eines von Beginn an öffentlich und in Expertenrunden breit gefächerten Meinungsbildungsprozesses. Wir werden darauf achten, dass diese Ergebnisse in den nächsten Jahren schrittweise und mit ausreichenden finanziellen Mitteln kontinuierlich umgesetzt werden.

Als deutliches Defizit wurden die Kulturkoordination und das dazugehörende Marketing in der Stadt erkannt. Wir fordern, diesen Bereich endlich professionell auszustatten und die Kultur entsprechend ihrer Bedeutung besser im Stadtmarketing zu verankern. Die Kulturträger erarbeiten mit hohem Engagement ein exzellentes Angebot, das seine wirtschaftsfördernde Wirkung in der Stadt durch besseres Marketing wesentlich erweitern könnte.

Etablierte Kultureinrichtungen und freie Träger

Wir unterstützen weiterhin Mehrjahresverträge für HOT, Musikfestspiel GmbH, Kammerakademie und die Kultureinrichtungen an der Schiffbauergasse, um ihnen Planungssicherheit und eine zukunftsorientierte Arbeit zu ermöglichen.

Genauso wichtig ist aber für uns die Unterstützung innovativer, auch kleinteiliger Kulturprojekte, besonders aus der Region. Deshalb begrüßen wir die Verdopplung der zur Verfügung stehenden Projektmittel und setzen uns für die Verstetigung dieser Mittel ein. Darüber hinaus fordern wir weitere konkrete Unterstützung, z. B. bei der Suche nach Räumen für Auftritte, Probenräume, der Bereitstellung von Technik, der Vernetzung, Hilfe bei der Suche von Sponsoren.

Gedächtnis der Stadt

Das kulturelle Gedächtnis umfasst kulturgeschichtliche Schätze und Zeugnisse vom 17. bis zum 20. Jahrhundert, welche die städtische Identität gegenüber den königlichen Sammlungen in den preußischen Schlössern bildhaft vor Augen führen können. Die Kunstwerke des frühen 20. Jahrhunderts und der DDR-Zeit sind kaum bekannt, Kunstankäufe nach 1990 nicht mehr möglich gewesen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für die Pflege des gesamten Spektrums des geistigen und kulturellen Gedächtnisses der Stadt.

Die Etablierung des Potsdam-Museums sowie die Fertigstellung der Depots sollte zügig umgesetzt werden, um die umfangreichen Sammlungen endlich der Öffentlichkeit präsentieren zu können. Die Weiterführung der Sammlungen durch Ankäufe ist zu fördern, die Zusammenarbeit mit den Archiven und Forschungseinrichtungen in Potsdam zu entwickeln.

Deshalb setzen wir uns auch für den Erhalt des Potsdamer Stasi-Archivs ein. Die Außenstelle Potsdam der Stasi-Unterlagenbehörde hat großen Anteil an der Aufarbeitung der DDR-Geschichte in der Stadt Potsdam. Sie muss mit ihrem Archiv für die politische Bildung und Forschung erhalten bleiben, ebenso für die persönlichen Anliegen der BürgerInnen.

Aus Intoleranz lernen – für eine kritischen Erinnerungskultur an authentischen Orten

Potsdam ist geprägt durch seine kulturell und politisch vielfältige Vergangenheit. Nicht nur die Schlösser und Gärten, sondern auch Einrichtungen politischer Verfolgung und Unterdrückung der jüngeren deutschen Geschichte machen dies in der ganzen Stadt deutlich. Diese Orte gilt es als Anziehungspunkte für den Tourismus, aber auch als Stätten der politischen Bildung zu erhalten bzw. wieder zu errichten. Es sind die bedrückenden Zeugnisse der jüngeren Geschichte mitten in unserer Stadt, wie z. B. die Gedenkstätten in der Linden- und in der Leistikowstraße, die eine kritische Erinnerungskultur herausfordern.

Die Willkür beider deutscher Diktaturen wird an diesen beiden Orten deutlich. In der Lindenstraße 54/55 wurden während der NS-Diktatur Gegner des Nationalsozialismus inhaftiert und ein Erbgesundheitsgericht installiert. Nach Kriegsende hat der sowjetische Geheimdienst bis 1952 diesen Ort als Untersuchungsgefängnis genutzt, wie auch die Leistikowstraße 1, wo die zumeist unschuldig inhaftierten Deutschen und russischen Soldaten gequält, gefoltert und ohne Rechtsbeistand zu langjährigen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt wurden.

Der DDR-Staatssicherheitsdienst hat danach in der Lindenstraße 54/55 bis zur Besetzung durch Potsdamer BürgerInnen im Dezember 1989 Frauen und Männer aus politischen Gründen unter furchtbaren Bedingungen eingesperrt und mit grausamen Verhörmethoden bis zur Verurteilung gequält. Das von der sowjetischen Besatzungsmacht zum Gefängnis umgebaute Pfarrhaus in der Leistikowstraße 1 hat der sowjetische Geheimdienst bis in die 80er Jahre weiter als Gefängnis für die eigenen Soldaten genutzt. Es ist das einzige im Original erhalten gebliebene Gefängnis des KGB in Deutschland. Deshalb begrüßen wir die Entscheidung der Bundesregierung und des Landes Brandenburg, dieses Areal zu einer nationalen Gedenkstätte auszubauen.

Gerade in der Soldatenstadt Friedrich Wilhelms I., in der die Nationalsozialisten den Tag von Potsdam inszeniert haben, in der DDR-BürgerInnen inhaftiert und russische Soldaten grausam gefoltert wurden, ist eine aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte unerlässlich. Besonders wichtig sind für uns die Gedenkstätten gegen Gewaltherrschaft, Diktatur und Unfreiheit. Sie gilt es als Erinnerungsorte für die nachfolgenden Generationen zu gestalten und als Gedenkorte für die Opfer politischer Verfolgung zu erhalten. Nur so können Werte vermittelt werden, die den Menschen Widerstandskraft gegen totalitäre Ideologien verleihen.

Potsdam kann nur dann als tolerante Stadt gelten, wenn wir in Annschauung der Intoleranz der Vergangenheit daraus für die Zukunft lernen. Authentische Orte vergangener Intoleranz können so heute zu Orten gelebter Toleranz werden. Das Engagement der Fördervereine zur Bewahrung der Gedenkstätten gegen politische Gewalt in der Lindenstraße und in der Leistikowstraße begrüßen und unterstützen wir.

In der Lindenstraße 54 sind die Räumlichkeiten so auszubauen, dass sie als Gedenkstätte erlebt werden und dass die Schülerprojektwerkstatt endlich ausreichend Räume vor Ort für ihre wichtige Arbeit hat. Das ist ein übergreifendes und interdisziplinäres Bildungsprojekt, dessen Finanzierung nicht allein von der Stadt und nicht allein aus dem Kulturetat erfolgen muss.

Durch die behutsame Sanierung und den Neubau für die Besucherbetreuung werden dort gegenwärtig die Bedingungen für eine professionelle Gedenk-, Begegnungs- und Erinnerungsstätte geschaffen. Wir fordern die Erschließung der Kapelle im Augustastift, in der die Urteile gefällt wurden, als Gedenkstätte.

Wir unterstützen den Wiederaufbau der Garnisonkirche – beginnend mit ihrem Turm – als Gotteshaus der evangelischen Kirche mit dem besonderen Schwerpunkt der Friedens- und Versöhnungsarbeit in Gemeinschaft mit der weltweiten Nagelkreuzbewegung. Wir fordern die Stadt im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in der „Stiftung Garnisonkirche Potsdam“ auf, die Kirche in ihrer öffentlichen Arbeit nach ihren Kräften zu unterstützen, insbesondere auch in dem Anliegen, den von Potsdam ausgehenden Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur in seiner ganzen Breite in der Kirche zu gedenken.

Wir unterstützen den Wiederaufbau einer Synagoge in Potsdam. Die Realisierung unseres Antrages, mit Stolpersteinen an die jüdischen Opfer in der Stadt zu erinnern, wird von uns aktiv begleitet.

Die Kennzeichnung der Orte des Leidens und die Aufarbeitung der Schicksale ehemaliger ZwangsarbeiterInnen in Potsdam sind uns ein Anliegen. Wir setzen uns für den Erhalt von Mauerresten und Grenzanlagen als Denkmale ein und fordern die Kennzeichnung des ehemaligen Grenzverlaufs durch geeignete Maßnahmen.

An prägnanten Stellen sind entsprechende Informationstafeln aufzustellen. In Zusammenarbeit mit der Stadt Berlin setzen sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für den Erhalt und Ausbau des Radweges entlang des ehemaligen Mauerstreifens ein. Wir setzen uns auch dafür ein, dass die Dauerausstellung „Glienicker Brücke” einer breiten Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Zudem unterstützen wir aktiv durch unsere Mitglieder die Errichtung des Gedenkortes am Hiroshimaplatz.

Themenjahr 2009: „Die konstruktive Kraft des Bürgerwillens“

Auf Anregung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde „Die konstruktive Kraft des Bürgerwillens“ in Korrespondenz mit dem Landesthema „Demokratie“ als übergreifendes Thema für das Jahr 2009 eingesetzt. Die Gründung der Stadtverordnetenversammlung 1809, die Gründung des Potsdam Museums und des Potsdamer Kunstvereins 1909 durch bürgerschaftliches Engagement und die friedliche Revolution von 1989 sollten Anlass sein für vielfältigste Aktivitäten wie Ausstellungen, Kolloquien und vieles andere mehr.

Wir unterstützen ebenso bürgerschaftliches Engagement bei der kulturellen Entwicklung in den Wohngebieten. Der Zugang zu kulturellen Angeboten muss für alle möglich sein. Mit den Kultureinrichtungen vereinbarte variable und ermäßigte Eintrittspreise sollen das unterstützen.

Wissenschaftsstadt Potsdam – Potenziale nutzen

Potsdam hat mit einer Universität, einer Fachhochschule, einer Filmhochschule und vielen außeruniversitären Forschungseinrichtungen eine Wissenschaftslandschaft, die bundesweit ihresgleichen sucht. Die Potenziale dieses Reichtums werden aber kaum genutzt. Die Niederlagen bei den beiden Wettbewerbsteilnahmen zur „Stadt der Wissenschaft" haben im Vergleich mit den anderen Städten die Defizite klar aufgezeigt. Der Alltag der Studierenden, der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ihrer Gäste muss stärker in den Alltag der Stadt eingebunden werden. Die Attraktivität Berlins als Wohnort für Studierende und die Verteilung der Hochschulstandorte am Stadtrand haben zur Folge, dass universitäres Flair Mangelware ist. Die Stadt Potsdam muss aber ein hohes Interesse daran haben, gut ausgebildete junge Leute früh an die Stadt zu binden, um sie nach dem Studium hier zu halten. Das Kulturangebot ist dabei ein Schwerpunkt. Mit dem Studentischen Kulturzentrum in der Innenstadt ist ein Projekt ins Leben gerufen worden, das auch weiterhin von der Stadt unterstützt werden muss.

Aber auch die wissenschaftliche Ausbildung der Studierenden kann stärker von der Stadt Potsdam unterstützt werden. Neue Ansätze in der Verwaltung können durch Projektseminare begleitet werden, wie dies beispielsweise schon erfolgreich bei der Einführung des Bürgerhaushalts geschehen ist. Diesen Ansatz wollen wir Bündnisgrüne ausbauen. Darüber hinaus sollen auch sonst mehr Möglichkeiten geschaffen werden, Studierenden Einblicke in die Praxis von Verwaltung und stadteigenen Unternehmen zu geben, z. B. durch Praktika. Wir regen an, in Kooperationsvereinbarungen der Stadt mit den Hochschulen solche Wege zu verstetigen bzw. auszubauen.

Schon die Kinder und Jugendlichen an den Schulen sollen von dem Wissenschaftspotenzial unserer Stadt profitieren. Wir möchten, dass mindestens jede weiterführende Schule eine Patenschaft mit einer wissenschaftlichen Einrichtung eingeht. Dies kann das Angebot der Schule sowohl im Unterricht als auch im Ganztagsbereich aufwerten und frühzeitig das Interesse der Forscherinnen und Forscher von morgen wecken. Die Erfahrung aus anderen Städten zeigt, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gern solche Chancen nutzen und dies auch als Bereicherung ihres Arbeitslebens empfinden.

Um die wissenschaftliche Arbeit in dieser Stadt auch deutlicher in das Bewusstsein der Potsdamerinnen und Potsdamer zu bringen, plädieren wir für eine zentrale Einrichtung, die Raum gibt für ständige Darstellungen der Potsdamer Wissenschaft und in dem durch vielfältige Veranstaltungen der Neugier der Postdamerinnen und Potsdamer und ihrer Gäste stärker Rechnung getragen wird.

Natürlich kann die Wissenschaftslandschaft auch Motor von Existenzgründungen sein. Das GO IN in Golm ist dabei innovativer Vorreiter in Potsdam. Wir wollen, dass die Stadt diese Einrichtung in Zukunft weiterhin unterstützt und stärkt.

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