NACHRUF: Dr. Hans-Jürgen Schulze-Eggert

 

Geboren: 24. August 1937 in Karuizawa /Japan

Gestorben: 16. Oktober 2020 in Potsdam

 

Mit tiefer Trauer und Betroffenheit nehmen wir Abschied von Dr. Hans-Jürgen Schulze-Eggert, der am 16. Oktober 2020 in Potsdam gestorben ist.

„Ein jegliches hat seine Zeit geboren werden und sterben, weinen und lachen, schweigen und reden, sich umarmen und sich lösen.“

Es fällt sehr schwer Worte des Abschiedes zu finden. Dieser Nachruf für Hans-Jürgen ist ein Zeugnis mit vielen Lücken, denn es ist unmöglich sein bewegtes und reiches Leben in einem Nachruf festzuhalten.

Das Leben von Hans-Jürgen erscheint wie ein Zeugnis des 20. und des begonnenen 21. Jahrhunderts. Als kleiner Junge war Hans-Jürgen in Tokio und in der Nähe des Vulkans Fuji in einer Schule und hat dort davon erfahren, dass Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Er erzählte mir 75 Jahre danach, am 6. August 2020, am Hiroshima-Nagasaki-Platz, das er bemerkte wie aufgeregt die Erwachsenen damals gewesen waren. Die Betroffenheit, als Kind von den Atombombenabwürfen und später auch deren Auswirkungen erfahren zu haben, hat wohl dazu geführt, dass er sich immer wieder für Frieden engagiert hat.

Er war promovierter Jurist, persönlicher Referent des Bundesministers der Landwirtschaft, Josef Ertl, FDP, im Bundeskabinett des Kanzlers Willi Brandt. Seit Anfang der 90er Jahre bis zum Eintritt in das Rentenalter 2002, war Hans-Jürgen Abteilungsleiter im neu gegründeten Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Land Brandenburg und er lebte fortan in Potsdam.

Bereits vor seiner Zeit als Rentner hat sich Hans-Jürgen immer wieder und mit Leidenschaft ehrenamtlich engagiert. Zum Beispiel als Mitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, deren Vorsitzender er von 2004 bis 2018 war. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Bauvereins Neue Synagoge Potsdam e.V. und war lange Zeit Mitglied von dessen Vorstand.

Als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „9. November“ (Pogromnacht 1938) hat er sich viele Jahre ehrenamtlich engagiert, um ein klares Zeichen der Toleranz zwischen den Religionen und Glaubensgemeinschaften in Potsdam zu setzen. Viele Projekte der Erinnerungskultur gehen auf seine Initiative bzw. seine Begleitung zurück. Hier sind beispielsweise die „Stolpersteine“ zu benennen und die Einrichtung einer Gedenktafel für Dr. Ludwig Levy, Rechtsanwalt und von 1928-1933, Stadtverordneter der SPD am Plenarsaal des Rathauses Potsdam. Es gehört zu seinem Vermächtnis auch eine Straße in der Innenstadt nach Dr. Ludwig Levy zu benennen. Im Hinblick auf die Erinnerungskultur in Potsdam hat Hans-Jürgen viele Anregungen eingebracht.

So ist zu erwähnen, dass Hans-Jürgen seit 2 Jahren auch im Vorstand des Hiroshima-Platz-Potsdam e.V. mitgewirkt hat. Für seine ehrenamtliche Arbeit in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und sein zivilgesellschaftliches Engagement wurde Hans-Jürgen als Einzelpersönlichkeit mit dem „Steh auf Preis“ 2019 der Flick-Stiftung für Toleranz gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz geehrt.

Seit dem 22. Januar 2014 war Hans-Jürgen, auch Mitglied von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Kreisverband Potsdam. Acht Jahre nach seinem Eintritt in die Partei wird nun am 22. Januar 2021 der UN-Verbotsvertrag zur weltweiten  Abschaffung der Atomwaffen in New York in Kraft treten. Hans-Jürgen hat den Prozess der Entstehung des UN-Verbotsvertrages und der Ratifizierungen in den UN-Staaten - inzwischen haben 50 Staaten ratifiziert - stets begleitet. Immer wieder war Hans-Jürgen auf den Demos für Frieden und Abrüstung und der Anti-Atombewegung und in den letzten 10 Jahren, gegen Rechtsextremismus und Rassismus, für Toleranz, Weltoffenheit und Religionsfreiheit, aber auch auf den zahlreichen Großdemonstrationen mit dem Titel „Wir haben es satt – für eine nachhaltige Landwirtschaft“. Fasziniert und engagiert hat er sich auch bei den Aktivitäten von „Fridays for Future“. Gerade in den letzten Jahren war er stets hoch engagiert, bis hin zu persönlichen Patenschaften, die er für junge, unbegleitete Geflüchtete übernommen hat. Er hat zwei junge Männer sehr intensiv, fachlich und außerordentlich persönlich begleitet, unterstützt und dazu beigetragen, dass sie sich auch beruflich hier auf den Weg machen konnten. Einer von ihnen macht gerade eine Handwerker-Lehre. Wir hatten sehr gute Gespräche, in denen er sein breites politisches Wissen und Fähigkeiten zum juristisch geprägten Abwägen von Argumenten einbrachte.

Der Nachruf kann nicht enden, ohne zwei Antworten von Hans-Jürgen aus Leserbriefen noch einmal in Erinnerung zu rufen. In den wenigen Worten erkennt man das beeindruckende Engagement und Wissen, das sein Handeln stets begleitet hat.

In den Potsdamer Neuesten Nachrichten wurde dieser Leserbrief auf einen Artikel vom 8. Dezember 2007 veröffentlicht am 23.Dezember 2007:

„Friedenspolitik gibt’s später Verbot von Streumunition: Berlin zieht nicht mit – Bundeswehr will Kampfmittel erst 2015 ausmustern“ vom 8. Dezember

Dazu muss man wissen, dass Deutschland nach Auskunft des Aktionsbündnisses Landmine zu den führenden Herstellern und Exporteuren von Streumunition gehört und selbst nicht weniger als rund 30 Millionen Stück bei der Bundeswehr auf Lager hat. Da verwundert es nicht, dass die Bundesregierung einem kurzfristigen Verbot dieser Munition nicht zustimmen mochte. Dass die wirtschaftlichen Interessen der Rüstungsindustrie durchschlagen, ist unfassbar. Das ist keine Friedenspolitik.“  Dr. Hans-Jürgen Schulze-Eggert, Potsdam, 23.12. 2007

Oder die Meinung von Hans-Jürgen zum Beitrag im Tagesspiegel vom 5. November 2013:

„Nur kritische Freunde sind gute Freunde „Offen Reden mit Big Brother“

Ein anderes Beispiel ist der Nato-Beschluss zur Modernisierung der Atomwaffen. Der Bundestag hatte 2010 den Abzug der restlichen 20 Atombomben in Deutschland (Büchel) beschlossen. Daraus wurde nichts, weil die Nato beschloss, die etwa 180 amerikanischen Atombomben in Europa mit einem Kostenaufwand von zehn Milliarden (!) Dollar zu modernisieren. Bei aller Bündnistreue, warum fügte sich die Bundesregierung so einfach, anstatt das Programm massiv infrage zu stellen? Ein fester, freundschaftlicher Widerspruch hätte dies vielleicht verhindern können.“

Lieber Hans-Jürgen, Du wirst uns sehr fehlen. In der Traueranzeige Deiner Familie heißt es: „In Liebe und in Dankbarkeit für ein gemeinsames Leben“

Es ist uns eine Ehre, Teile dieses gemeinsamen Lebens mit Dir geteilt zu haben.

Vielen Dank!

R.I.P.

Uwe Fröhlich und Peter Schüler

 

 

 

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